Stellungnahme zum Thüringer Gesetz zur Ratifizierung des Dritten Medienänderungsstaatsvertrags

Berlin, 18.04.2023

Sehr geehrte Mitglieder des Ausschusses für Europa, Kultur und Medien,

der Produzentenverband e.V. dankt für die Möglichkeit zur Stellungnahme im Rahmen der schriftlichen Anhörung zum Gesetzesentwurf der Landesregierung zum Dritten Medienänderungsstaatsvertrag.

Wir möchten an dieser Stelle auf unsere im Januar 2022 veröffentlichte Stellungnahme zum Dritten Medienänderungsstaatsvertrag verweisen. Diese ist hier abzurufen.

Mit Verwunderung müssen wir feststellen, dass sich in der zur Ratifizierung vorliegenden Fassung des Dritten Medienänderungsstaatsvertrag zahlreiche Punkte wiederfinden, die der Produzentenverband und andere Verbände bereits 2022 kritisiert haben und die in der Folge beibehalten worden sind.

Gravierend ist, dass der Medienstaatsvertrag so geändert wird, dass

  • die Mediatheken aller öffentlich-rechtlichen Sender zusammengelegt werden können,

  • das Angebot nicht mehr nur auf europäische Produktionen beschränkt ist,

  • das Angebot auch nur über Abrufe, ohne Ausstrahlung ausgewertet werden kann

  • und Inhalte nicht mehr an Catch-Ups gebunden sind und zeitlich länger als 30 Tage

    verfügbar gemacht werden können.

Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender sind infolge kaum reguliert und können ein gemeinsames Free-VOD-Angebot etablieren,

  • das kostenlos, ohne Werbung und ohne Anmeldung zugänglich ist,

  • das bereits auf Geräten omnipräsent und durch die Sender bekannt ist und

  • das je nach Schwerpunkt der Redakteur:innen, getragen durch ein gemeinsames, GEZ-finanziertes Budget, ohne privatwirtschaftliches Risiko, ein großes, internationales Portfolio anbieten kann.

Aus diesem Grund erneuern wir vor allem die Kritik an den in §30 des Dritten Medienänderungsstaatsvertrags vorgenommenen Änderungen, da diese das Potential haben, der Film- und Serienkultur, der Landschaft der unabhängigen Produzent:innen in Deutschland und insbesondere der Programmvielfalt nachhaltig zu schaden:

§30 Absatz (1): gemeinsame Plattformstrategie von ARD und ZDF

Die in §30 Absatz (1) eingefügte Neuerung „Einbeziehung einer gemeinsamen Plattformstrategie“ hat zur Folge, dass audiovisuelle Werke zukünftig von einem Sender lizenziert werden, aber in der gemeinsamen Plattform, also von ARD-Rundfunkanstalten und ZDF, online ausgewertet werden können. Da erschwerend zu befürchten ist, dass eine solche erweiterte Nutzung nicht mit einer Erhöhung der Lizenzentgelte einher gehen wird, sondern sich der aktuelle Trend sinkender finanzieller Beteiligungen der öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten an Ko-Produktionen fortsetzt, nimmt der Gesetzgeber mit dieser Neuerung eine Entwertung der Lizenzen vor. Auch aus kartellrechtlichen Gründen erscheint uns eine gemeinsame Plattformstrategie als problematisch, da diese zur Folge hat, dass ARD und ZDF bei der Lizenzierung und Nachlizenzierung von Produktionen die Marktpreise zu Ungunsten der Produzent:innen bestimmen können.

§30 Absatz 2: Angebot nicht-europäischer Werke

Nicht nur europäische, sondern auch nicht-europäische Werke sollen zukünftig im Zusammenhang mit einer Ausstrahlung (aber auch völlig unabhängig von dieser) in den Mediatheken angeboten werden können. Es ist zu befürchten, dass so vor allem nicht- europäische Spielfilme und Serien für die Mediatheken lizenziert werden, die sich hauptsächlich an Quotenkriterien orientieren - die Mediatheken also mit solchen Inhalten gefüllt werden, die auch im Angebot der kommerziellen Konkurrenzplattformen abrufbar sind.

Dies hat deutliche Auswirkungen auf die öffentlich-rechtliche Programmvielfalt. Hinzu kommt, dass sich die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten mit den Konkurrenzplattformen in einen Wettbewerb um den Lizenz-Erwerb begeben, der dazu führt, dass Lizenzkosten steigen und das dafür eingesetzte Programmbudget deutschen oder europäischen Filmen und Serien nicht mehr zur Verfügung steht. In der Folge würde das Engagement der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für die Neubeauftragung deutscher und europäischer Werke zugunsten von nicht-europäischer Lizenzware zurückgehen. Für in Deutschland ansässige Produzent:innen wird dies voraussichtlich zur Folge haben, dass der Koproduktions- und Lizenzanteil der Sendeanstalten bzw. die Budgets für Auftrags- und Ko-Produktionen weiter sinken. Und damit wiederum die Programmvielfalt.

Schon heute werden Produzent:innen regelmäßig damit konfrontiert, dass angebotene Lizenzpreise mit dem vom Sender erwarteten Senderechteumfang und der erwünschten Mediathekenverweildauer nicht im Einklang stehen. Produzent:innen und öffentlich- rechtliche Rundfunkanstalten werden sich auch kurz- und mittelfristig nicht auf einem level- playing-field begegnen, das Produzent:innen in die Lage versetzt, angemessene Entgelte für die Nutzung ihrer Werke im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu vereinbaren. Die neu geschaffene Nutzungsmöglichkeit für nicht-europäische Werke sowie eine Ausweitung der Verweildauer in den Mediatheken für deutsche und europäische Werke und die Vergrößerung der Reichweite durch eine gemeinsame Plattformstrategie, wird dazu führen, dass Lizenzen, die durch Produzent:innen, Verleiher oder Weltvertriebe an andere Lizenznehmer lizenziert werden könnten, entwertet werden. Dieses geplante Vorgehen zerstört nachhaltig die etablierten und notwendigen Lizenzketten, erschwert die Finanzierung von Filmen, vor allem von Kinofilmen, aber auch von teilfinanzierten Auftrags- und Ko-Produktionen noch einmal erheblich und führt dazu, dass gerade auch unabhängigen Produzent:innen die Existenzgrundlage entzogen wird. Wodurch wiederum die Vielfalt des Angebots für die Zuschauer:innen sinken würde.

§30 Absatz 3: online-only Angebot europäischer und nicht-europäischer Werke

Darüber hinaus geht der Wegfall der Ausstrahlungen im linearen Programm mit einer weiteren schweren Folge für Produzent:innen aber auch Urheber:innen und ausübende Künstler:innen einher. Die bisher von Verwertungsgesellschaften kollektiv wahrgenommenen und an Berechtigte ausgeschüttete Lizenzeinnahmen aus den mit einer Ausstrahlung in Zusammenhang stehenden Zweitverwertungsrechten werden wegbrechen.

Produzent:innen werden so die Möglichkeiten genommen, aus der Auswertung ihrer Produktionen eingebrachte Investitionen zu refinanzieren oder gar einen Pioniergewinn zu erwirtschaften, der für die Entwicklung neuer Ideen eingesetzt werden kann.

Fazit: Dritten Medienänderungsstaatsvertrag in jetziger Fassung nicht ratifizieren

Die unabhängigen Produzent:innen möchten mit ihren Produktionen auch zukünftig die Vielfalt der öffentlich-rechtlichen Programme stärken. Jedoch muss dies mit einer angemessenen und realistischen Finanzierung der Produktionen und einer angemessenen, nutzungsbezogenen Vergütung eingeräumter Rechte einhergehen. Es steht zu befürchten, dass der Dritte Medienänderungsstaatsvertrag in der jetzt zu ratifizierenden Fassung gerade unabhängige Produzent:innen benachteiligt und die notwendige Angemessenheit der Vergütung nicht sicherstellt.

Sehr geehrte Mitglieder des Ausschusses für Europa, Kultur und Medien, aufgrund der gravierenden Auswirkungen o.g. Änderungen im Dritten Medienänderungsstaats-vertrag auf die Landschaft der unabhängigen Produzent:innen – und dadurch letztendlich vor allem auf die Vielfalt des Angebots für die Zuschauer:innen der öffentlich-rechtlichen Sender – ersuchen wir Sie um die Empfehlung an den Landtag, den Dritten Medienänderungsstaatsvertrag in seiner vorliegenden Fassung nicht zu ratifizieren.

Für Rückfragen stehen wir selbstverständlich zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Alexandra Krampe, Mitglied des Vorstands
Erwin M. Schmidt, Geschäftsführer

Zum Produzentenverband

Der Produzentenverband e.V. ist ein kreatives, wirtschaftliches und innovatives Netzwerk. Mit aktuell 137 Mitgliedern und einer Nachwuchssektion ist er die maßgebliche Vertretung der unabhängigen Kino-, Streaming- und Fernsehproduzent:innen in Deutschland. Der Verband bündelt und artikuliert die film- und marktpolitischen Interessen seiner Mitglieder und ist deren Sprachrohr und Vermittler gegenüber Förderern, Sendern, der Politik und nationalen sowie internationalen Branchenverbänden.

Zurück
Zurück

Pressemitteilung: Verbände der Film- und Medienwirtschaft einigen sich auf beschleunigte Kinofilmauswertung

Weiter
Weiter

Für eine innovative Talentförderung in Deutschland